Serie Postevangelikalismus Teil 4:
Wie die Auferstehung mein Bibelverständnis prägt


BENJAMIN THULL
Leiter Kids und Teens

„Nun sag, wie hast du’s mit der Bibel?“ So könnte die Gretchenfrage vieler innerchristlicher Auseinandersetzungen heute heißen. Dabei geht es meist nicht nur um Interpretationsfragen schwieriger Stellen, sondern viel wesentlicher um das Verständnis der Bibel selbst. Wie Benjamin Thull ein historischer Blick auf die Auferstehung bei seinem Ringen weitergeholfen hat, darum soll es im Folgenden gehen.

 

Der Leitartikel der letzten Ausgabe handelte von der postevangelikalen Kritik am Evangelikalismus. Ein Thema, das in diesem Zusammenhang immer wieder diskutiert wird, ist das der Autorität und Vertrauenswürdigkeit der Bibel. Kein abstraktes Thema für mich, sondern ein sehr persönliches, das mich in den Anfangsjahren meines Theologiestudiums an der Universität intensiv beschäftigte.

Kein Buch, sondern ein Ereignis

Zum Beispiel fragte ich mich, ob die Autorität der Bibel als Gottes Wort nur als Zirkelschluss zu haben ist à la: „Die Bibel ist Gottes Wort, weil sie von sich behauptet, Gottes Wort zu sein.“ Doch zu diesem Ergebnis kam ich nicht. Denn am Anfang des christlichen Glaubens steht kein Buch, sondern ein Ereignis: Jesu Auferstehung von den Toten. Der Apostel Paulus ist überzeugt: ohne leibhaftige Auferstehung von Jesus kein Christentum (1. Korinther 15,14). Wäre sein Grab noch voll, wären unsere Kirchen und Gemeinden leer beziehungsweise gar nicht erst gebaut worden. Anders als bei vielen anderen Religionen ist der Startpunkt des christlichen Glaubens in Raum und Zeit verankert, was ihn mit historischen Methoden überprüfbar macht. Wenn es also gute Gründe für Jesu Auferstehung gibt, so dachte ich mir, dann gibt es ebenfalls gute Gründe, die Worte von Jesus ernst und seinen Umgang mit der Schrift als Vorbild zu nehmen. Das würde zwar nicht alle meine Bibelfragen lösen, wäre aber ein vielversprechender Startpunkt.

Historische Gründe für die Auferstehung

Anders als in der Bundesliga heute gab es im 1. Jahrhundert noch keinen Videobeweis. Daher geht es bei historischer Forschung nie um wasserdichte Beweise, sondern um die plausibelste Erklärung. Ist es also im Licht der uns bekannten Fakten wahrscheinlicher, dass Jesu Auferstehung tatsächlich passiert ist oder dass sie ein Hirngespinst ist? Schauen wir uns dafür einige der Fakten an, auf die sich eigentlich alle Forschenden einigen können – auch diejenigen, die nicht an die Auferstehung glauben.

1. Jesus hat gelebt und wurde von den Römern gekreuzigt

Beides ist durch inner- wie außerbiblische Quellen breit belegt und dementsprechend unumstritten. Dass Jesus seine Kreuzigung überlebt habe, wie manchmal behauptet wird, ist sehr unwahrscheinlich. Zum einen waren die Römer ziemlich geübt im Kreuzigen, zum anderen standen die Soldaten mit ihrem Leben für die Befehlsausführung ein. Ich meine: Grund genug, um auf Nummer sicher zu gehen.

2. Das leere Grab

Zunächst einmal ist bemerkenswert, dass die biblischen Quellen einen gewissen Josef von Arimathäa erwähnen, der Jesus sein Grab zur Verfügung gestellt haben soll. Ein solches Detail lädt zur Überprüfung ein, gerade weil dieser Josef als ein Mitglied des obersten jüdischen Leitungsgremiums vorgestellt wird und demnach eine stadtbekannte Persönlichkeit war. Noch bemerkenswerter ist, dass alle vier Evangelien davon sprechen, dass es Frauen waren, die als erste das leere Grab entdeckten. Warum sollten sich die Evangelisten das ausdenken, wenn doch das Zeugenwort von Frauen vor den damaligen Gerichten sehr viel weniger galt als die Aussage eines Mannes? Nun gibt es natürlich sehr viel näherliegende Gründe für ein leeres Grab als eine Auferstehung von den Toten. Der Diebstahl von Jesu Leiche zum Beispiel. Aber wer kommt dafür infrage? Sicher nicht die jüdischen und römischen Autoritäten. Sie wollten die Jesus-Bewegung loswerden und ihr nicht durch eine vermeintliche Auferstehung neuen Auftrieb geben. Grabräuber vielleicht? Doch sie hätten erst einmal an den römischen Wachen vorbeigemusst und sicherlich nicht das Wertvollste – die Tücher – im Grab zurückgelassen, wie es uns zumindest von Lukas und Johannes berichtet wird. Bleiben noch die Freunde und Freundinnen von Jesus. Zumindest ihr Motiv für einen möglichen Leichenklau liegt auf der Hand: den Ruf ihres geliebten Meisters zu retten. Doch mehrere der engsten Freunde von Jesus haben später unabhängig voneinander ihr Leben für den Glauben an die Auferstehung gegeben. Ein solcher Preis für eine riesige Lüge, ohne dass auch nur einer der Jünger im letzten Moment einknickt und die vermeintliche Fake-Auferstehung zugibt? Ziemlich abwegig.

3. Die Bekehrung von Skeptikern

Aus den Evangelien wissen wir, dass Jakobus dem Treiben seines Bruders Jesus zunächst skeptisch gegenüberstand. Doch Paulus listet in seinen Briefen Jakobus als einen der Leiter der Jerusalemer Gemeinde und als Zeugen der Auferstehung auf, der später sogar für seinen Glauben an Jesus hingerichtet wurde, wie uns in drei außerbiblischen Quellen berichtet wird. Wenn ich mir überlege, was es bräuchte, dass ich meinen großen Bruder als Gott verehre – mindestens ein Wunder in der Kategorie der Auferstehung!
Noch krasser ist die Veränderung bei Paulus, von dem die Mehrheit der neutestamentlichen Schriften stammt. Was um alles in der Welt brachte diesen erbarmungslosen Verfolger der Christen dazu, einer der wirkmächtigsten Nachfolger von Jesus zu werden?

4. Die krasse Veränderung, die die Freunde und Freundinnen von Jesus erlebten

Aus den Quellen wird deutlich: Nach der Kreuzigung von Jesus rechneten seine Leute nicht mit seiner Auferstehung. Sie waren zutiefst enttäuscht, hoffnungslos und voller Angst. Sie hatten alles auf die Jesus-Karte gesetzt – und scheinbar verloren. Doch wenige Tage später ist diese Gruppe wie verwandelt. Keine Spur mehr von Trauer, vielmehr missionarischer Eifer und mutige Verkündigung: „Wir haben den lebendigen Jesus gesehen – er ist von den Toten auferstanden!“ Wie lässt sich diese krasse Veränderung erklären? Manche behaupten, durch Halluzinationen. Das heißt: Jesu Leute seien wirklich davon überzeugt gewesen, dass sie dem Auferstandenen begegnet seien – es wäre aber trotzdem falsch. Das Problem ist nur, dass die Psychologie bis heute keine Massenhalluzinationen kennt, bei denen mehrere Personen das Gleiche sehen und hören – das macht diese Erklärung sehr unwahrscheinlich.
Soweit nur ein kurzer Überblick. Doch schon dieser macht deutlich: Die biblischen Auferstehungsberichte müssen eine kritische Untersuchung nicht scheuen. Sie haben auch rational besehen Hand und Fuß und sind meines Erachtens die beste Erklärung für eine Reihe von historischen Fakten, über die sich weitestgehend alle einig sind. Diese Einsicht half mir in meinem Ringen ums Bibelverständnis. Drei Schlüsse leitete ich daraus ab.

 

Wie die Auferstehung mein Bibelverständnis prägt

1. Weil Jesus auferstanden ist, darum folge ich seinem Umgang mit der Schrift

Egal, ob Jesus seine Antrittsrede hielt, theologische Streitgespräche führte, dem Teufel ins Angesicht widerstand, anderen seinen Auftrag erklärte oder seine letzten Atemzüge am Kreuz tat, immer kamen Worte der Heiligen Schrift aus seinem Mund. Aus jeder Pore atmete Jesus das Alte Testament, er war wie „eingelegt“ in dessen Worte. Wenn die Bibel für Jesus derart zentral war, dann soll sie es auch für mich sein.

 

2. Weil Jesus auferstanden ist, darum haben seine Worte höchstes Gewicht

Die Auferstehung bestätigt Jesu einzigartigen Anspruch: Er ist der Sohn Gottes, König und Retter der Welt. Als solcher hat er Worte ewigen Lebens gesprochen, die kein Verfallsdatum haben, darum räume ich ihnen höchste Autorität ein.

3. Weil Jesus auferstanden ist, darum glaube ich denen, die er gesandt hat

„Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“, damit endet der große Auftrag Jesu an seine Jünger. In weiten Teilen sind die neutestamentlichen Briefe die Antwort darauf: Sie führen den Lesern vor Augen, was Jesus gesagt hat und wie die Leser es in ihrer konkreten Situation umsetzen können. Die Autorität der Briefe leitet sich direkt von der Autorität des Auferstandenen ab, darum fordern sie meinen Gehorsam.

Viele der aktuell diskutierten Fragen rund um die Bibel bleiben in meinem Artikel unberücksichtigt. Doch rückblickend kann ich sagen: Die historische Überprüfbarkeit der Auferstehung bildete für mich einen hilfreichen Startpunkt, mein Vertrauen in die Bibel und ihre Autorität zu stärken. Mein Wunsch ist, dass dieser Ansatz vielleicht auch dir in deinem Ringen weiterhilft.

 


Benjamin empfiehlt als weiterführende Literatur
Die aktuell wohl umfangreichste Untersuchung der historischen Gründe für die Auferstehung bietet der britische Neutestamentler N.T. Wright: „Die Auferstehung des Sohnes Gottes“ (Verlag: francke, 2014).
Für eine erste gute Übersicht eignet sich Kapitel 8 in Julia Garschagens Buch: „True Story? Good Question! Die 10 größten Fragen über Gott und die Welt“, dessen Zielgruppe vor allem Teenies und Jugendliche sind (Verlag: SCM R.Brockhaus, 2023).

 

Artikel erschienen in:
Offene Türen 2023-3
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